Allround-Künstlerin Danielle de Picciotto
Moderation: Annette Riedel |
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Sie schreibt, zeichnet, macht Musik und hat gerade eine neue Graphic Novel veröffentlicht. Die Künstlerin Danielle de Picciotto gehört fest zur Berliner Kulturszene – schon vor über 30 Jahren initiierte sie die erste Love Parade.
Eigentlich war die Multimedia-Künstlerin Danielle de Picciotto vor allem für das Berliner Nachtleben eine prägende Figur, aber eine weltberühmt gewordene Großaktion, die sie mit ihrem damaligen Freund, dem DJ Dr. Motte, ins Leben rief, fand tagsüber statt: Die Berliner Love-Parade. "Motte und ich haben sehr viele Sachen initiiert, schon vor der Love-Parade – Partys, Events, Musik-Events, Modeschauen. Wir hatten immer ein Faible für Paraden." Statt nach Rio zu fahren, um auf der Straße zu tanzen, wie es ein Traum der beiden war, holten sie die Parade 1989 zu sich nach Hause mit ihrer eigenen Musik, dem damals neuen Acid House und Techno.
Zuhause in der Berliner Szene
Als die Halb-Amerikanerin de Picciotto 1987 aus den USA nach Deutschland kam, ging es weniger um ausgelassen fröhliches Tanzen im Sonnenschein: "Berlin war ja damals eine sehr melancholische Schwarz-weiß-Stadt." Durch Zufall in die Stadt gekommen, begeisterte sie sich schnell für deren Kulturszene und zog kurzerhand in eine riesige Fabriketagen-WG. Dort traf sie Musiker wie Nick Cave, Blixa Bargeld oder Roland Wolf sowie diverse weitere Szenegrößen. "Das war zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich mich wirklich richtig wohl gefühlt habe." Da sie ohnehin schon als Kind Klavier und Geige gelernt und in Chören gesungen hatte, lag Danielle de Picciotto die Musik nahe, "aber ich hatte eigentlich nie daran gedacht, selber Popmusik zu machen, weil ich sehr, sehr schüchtern war". Diese Schüchternheit oder "Todesangst", wie sie sagt, schaffte sie dann als Sängerin der Band "Space Cowboys" und bei weiteren Projekten im Lauf der Jahre zu überwinden.
Gezeichnete Stadt-Geschichte
Studiert hat Danielle de Picciotto Modedesign in New York, und auch in Berlin hat sie eine Zeit lang noch Mode gemacht. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass meine Kleider immer untragbarer wurden. Am Ende habe ich Kleider aus Gips gemacht, und dann dachte ich, naja, das ist vielleicht nicht so praktisch, dann sollte ich vielleicht einsehen, dass ich vielleicht eher Musikerin, Künstlerin bin." Sie hat nicht nur immer schon gerne Musik gemacht, sondern auch gemalt und geschrieben. An verschiedenen Orten der Stadt hat sie Ausstellungen kuratiert und in ihrer Graphic Novel "Die heitere Kunst der Rebellion", die diesen Herbst erschienen ist, kommen ihr Zeichen- und Schreibtalent in Kombination mit ihrer Berliner Geschichte zum Einsatz. Dabei erfährt man nicht nur einiges über sie als Person und die Musikerszene, sondern auch noch eine Menge über das Lebensgefühl in einer Stadt, rund um den Mauerfall.
Sieben Jahre unterwegs
Als die Individualistin de Picciotto in Berlin nach der Jahrtausendwende eine immer deutlicher werdende Gentrifizierung und eine Bewegung hin zum Mainstream feststellt, beschließt sie mit ihrem Mann Alexander Hacke, auch ein Musiker und Gründungsmitglied der "Einstürzenden Neubauten", die Stadt zu verlassen. Sieben Jahre lang leben die beiden als "Nomaden" ohne festen Wohnsitz. Das sei durchaus auszuhalten gewesen: "Ich hab‘ das schon in meinem Blut, da ich zum Beispiel die ersten zwölf Jahre jedes Jahr in einer neuen Schule war. Und dadurch, dass ich viel toure, bin ich es auch gewöhnt. Es war ein riesiges Abenteuer und Risiko. Wir waren als erstes in Prag, dann Wien, dann sind wir sehr viel in Amerika gewesen, Australien, Neuseeland, Tasmanien, auch viel in osteuropäischen Ländern." Auch zu diesen Reisen hat de Picciotto eine Graphic Novel veröffentlicht: "We Are Gipsies Now".
Der Traum von der Künstlervilla
Diese lange Zeit unterwegs habe ihr ganzes Leben verändert: "So eine Reise ist so dermaßen anstrengend, da muss man erstmal total gesund werden – das heißt, wir haben aufgehört zu trinken, wir sind vegan geworden, wir haben aufgehört zu rauchen, angefangen zu meditieren und Yoga zu machen." Das habe auch dabei geholfen, sich gegenseitig auszuhalten: "So kann man dann auch 24 Stunden am Tag sieben Jahre lang zusammen sein." Als die Band ihres Mannes 2017 eine neue Platte aufnehmen will, kehren die beiden zurück nach Berlin – und musizieren auch hier wieder gemeinsam: "Wir sind gerade dabei, eine neue Platte zu machen." Und sie wollen bleiben: "Unser Traum ist es, eine Art Künstlervilla aufzubauen, in der wir die ganzen Künstler, die wir kennen, vorstellen können." Die Suche nach Mitteln und Ort dafür sei nicht leicht, aber: "Wir glauben an Wunder."
(mah)